KOMMT EINE NEUE WELLE IN DER SUPERVISION?
03.10.2017

KOMMT EINE NEUE WELLE IN DER SUPERVISION?

by Angela Büche

Auf zu neuen Ufern in der Unternehmenskultur

„...die große Welle der Supervision ist vorbei.“ – Betretenes Schweigen nach dem Schlusswort der Lehrveranstaltung von Dr. Bodo Kirchner am 17. Dezember 2016 im Masterlehrgang Supervision, Mediation und Coaching an der Universität Salzburg, Fachbereich Psychologie. Ist sie das? Weit gefehlt! Die erste große Welle mag vorbei sein, wenn man Supervision ausschließlich als Reflexion der eigenen Berufspraxis versteht. In Abgrenzung zu anderen Beratungsformaten wie Coaching (ziel- und ergebnisorientiert), Mediation (Konfliktbewältigung) und von Lernformaten wie Workshops und Trainings. Aber wer sagt, dass nach der ersten großen Welle nicht eine weitere große Welle kommen kann? Eine, die inhaltlich und von den Rahmenbedingungen her so gestaltet ist, dass sie nachhaltig hilfreich ist für die psychischen Belastungen am Arbeitsplatz von heute und von morgen? 
Ja es stimmt, dass selbst in Berufsgruppen und Institutionen, in denen die klassische Supervision ein selbstverständlicher Teil der Reflexion von Arbeitsprozessen war, sie wegen Sparmaßnamen in Frage gestellt, reduziert oder gar abgeschafft wird. Dazu kommt, dass derzeit ArbeitnehmerInnen alles, was nicht dringend notwendig ist oder keinen gefühlten sofortigen Gewinn bringt, nicht in Anspruch nehmen möchten. Jede Zeitminute ist zum wertvollen Gut geworden, die sorgsam betrachtet und verteidigt wird. Bei einigen Individuen hat sich auch einfach eine Supervisionsmüdigkeit eingestellt. 
Dennoch werden Anforderungen an Menschen in der Arbeitswelt immer vielfältiger und belastender. Von dieser Entwicklung ist kein Ende abzusehen. Es genügt heute nicht mehr, nur fachlich top zu sein. Auf der einen Seite zehrt die alltägliche Handlungsroutine unter Stress, auf der anderen Seite das Wissen, dass derzeit das einzig Stabile der stete Wandel in Richtung einer unbekannten technisierten Welt (Industrie 4.0) ist. Sich einerseits eine intrinsische Motivation zwischen Struktur und Wandel zu erhalten, andererseits immer wieder neue Lösungen für den stressigen und oft hierarchisch geführten Arbeitsalltag zu finden, fordert wahrlich eine Meisterleistung an Selbst- und Sozialkompetenz, sowohl für die Führungskr.fte, als auch für MitarbeiterInnen. Denn genau das sind die Schlüsselkompetenzen, damit MitarbeiterInnen nachhaltig gesund und erfolgreich durch die anspruchsvollen Wogen des Berufslebens steuern können.
 

Es stellt sich also die Frage, was eine moderne Art der Supervision beinhalten muss, damit sie für MitarbeiterInnen wieder zu einer Nährquelle und einem Entwicklungspool werden kann, sowohl für eine agile, wie auch stabilisierende Berufskompetenz?
Schlüsselkompetenzen, wie Selbst- und Sozialkompetenz, werden maßgeblich von intrinsischer Motivation, Affektregulationskompetenz, Selbstwirksamkeitserwartung, Zielbindung und Zielerfolgserwartung beeinflusst (siehe Abbild 4). Darum macht es Sinn, diese Schlüsselkompetenzen zu stärken und zu entwickeln. Eine Möglichkeit dafür ist, auf der Haltungsebene ein individuell erstrebtes Einstellungs- und Veränderungsziel zu bilden. Diese Art von Ziel wird Haltungsziel oder MOTTO-Ziel genannt. TeilnehmerInnen dieser Art von Supervision bauen sich also zuerst eine neue Haltung auf, bevor für konkrete  Situationen im Arbeitsalltag reflektierte Lösungen gesucht werden.
Durch diese Vorgehensweise erhält man ein Haltungsziel, das mit dem psychischen Selbstsystem abgeglichen ist und darum von diesem unterstützt wird. Diese neu gefundene Haltung drückt auf ressourcenvolle und poetische Art aus, in welcher Haltung das Individuum im Alltag den zuvor definierten Themen begegnen wird und es in Folge zu einem erweiterten Erlebens- und Handlungsspielraum kommen kann. Für die Praxis bedeutet dies, dass es bei wichtigen Themen Sinn macht, zuerst auf der Einstellungs- und Haltungsebene ein MOTTO-Ziel zu bauen, bevor am Verhalten und auf der kognitiven Ebenen geplant und Verhaltens-Ziele gesetzt und reflektiert werden. 
 

Stimme einer Teilnehmerin:
„Der Kurs bei Angela stellt für mich eine Wende in meinem Leben dar, weil ich jetzt endlich Werkzeuge habe, mit denen ich mir ein entspanntes und gleichzeitig zielfokussiertes Leben gestalten kann. Durch das Anwenden dieser Werkzeuge bekomme ich die Sicherheit, dass ich mein Leben in der Hand habe - komme, was wolle! 
Myriam (Psychologin)

 

Nehmen wir als Beispiel Maria Flex. Vor zwanzig Jahren begann sie motiviert als Pflegefachkraft im Spital zu arbeiten. Seit fünf Jahren ist sie Pflegedienstleiterin. Sie fühlt sich immer öfter  ausgepowert und allein gelassen in der Führung und in der Umsetzung von Umstrukturierungen auf ihrer Station. Mit Schrecken stellt sie fest, dass ihr die Freude und die Luft im wahrsten Sinne des Wortes langsam, aber sicher ausgeht. Es fühlt sich für sie so an, wie wenn immer mehr Neues von ihr gefordert wird und sie diese Last nicht mehr bewältigen kann. Sie fürchtet, dass diese Last bald über ihr zusammenbrechen wird. In einer Supervision erarbeitet sie sich ein Haltungsziel, wie oben beschrieben. Als sie nach vier Stunden ihr erarbeitetes vorläufiges Haltungsziel vorliest, strahlt sie und atmet entspannt und tief aus:“ Ich gleite achtsam in meinem Tempo und sehe nahrhafte und einladende Ufer“(Siehe Bild 2). Sie hetzt nicht mehr durch die Station, sondern gleitet achtsam in ihrem Tempo durch die Flure. Was bisher neu und dadurch oft auch erdrückend und überfordernd und auf sie gewirkt hat, wird zu einem einladenden und nährenden Ufer. Sie schaut sich das neue an, und versucht es so zu integrieren, dass es dadurch zu einer Bereicherung ihrer Arbeit und der Station wird. Sie geht mit ihren MitarbeiterInnen auf Entdeckungsreise nach Möglichkeiten, Neues integrieren zu können. In den folgenden Supervisionen wird evaluiert, geändert und neues für die Umsetzung geplant.
 

Das MOTTO-Ziel ist Teil des ZRM®-Trainings (Zürcher Ressourcenmodell). Es ist ein psychosoziales Selbstmanagement- und Motivationstraining, von Dr. Maja Storch und Dr. Frank Krause, 2014, für die Universität Zürich entwickelt. Es beruht auf neuesten neurowissenschaftlichen Erkenntnissen aus der Motivationspsychologie und wird laufend in Studien auf seine nachhaltige Wirksamkeit hin überprüft und für verschiedene Zielgruppen weiterentwickelt. Es handelt sich um ein Prozessmodell, das gleichermaßen kognitive, emotionale, körperliche und kreativ-künstlerische Elemente mit einbezieht.
 

Arbeitsrichtung

Bedürfnisse (oft unbewusst) 
Ich fühle mich ausgepowert und bekomme kaum mehr Luft

Motive (bewusst)
Ich gleite achtsam über sanftes Wasser an neue Ufer, und genieße die erfrischende Abendbrise

Intention
Ich gleite achtsam in meinem Tempo und sehe überraschend nahrhafte und einladende Ufer

Präaktionale Phase
Erinnerungshilfen; Embodiment; Installationen am Arbeitsplatz; Ressourcenbild; Erfolgstagebuch; Wenn-dann- Pläne etc.

Handlung
Training mit heiklen Situationen; geplante gut vorbereitete MAGespräche, Umsetzung Wenn-dann-Pläne etc.
 

Warum macht es Sinn, dieses Haltungsziel nicht nur in einem 2-tägigen Workshop zu tätigen, sondern dies in einen längeren Supervisionsprozess zu integrieren? Damit der Transfer in den Berufsalltag sicher gestellt ist! Denn sonst besteht die Gefahr, dass, wenn die TeilnehmerInnen zurück im Arbeitsalltag sind und dort vielleicht gerade mit einer Flut von Problemen konfrontiert werden, die zarten Pflänzchen der neu erworbenen Einstellungsänderung, der Ressourcenaktivierung und der neu aktivierten intrinsischen Motivation, niedergewalzt werden. Wird es jedoch über mehrere Monate hin aufgebaut und regelmäßig begleitend erweitert - idealerweise über den Zeitraum von einem Jahr - so können die neu aufgebauten neuronalen Netzwerke der Einstellungs- und Verhaltenssteuerung sorgsam gehegt und gepflegt werden, bis sie zu einem selbstverständlichen und kräftigen Teil der Persönlichkeit geworden sind. Die einzelnen Schritte im Entstehungsprozess von einem Haltungs-Ziel entfalten so nach und nach im Arbeitsalltag ihre nachhaltige Kraft, und können in der Supervision monatlich vertiefend weiterentwickelt und reflektiert werden. Obgleich erste Veränderungen sofort bemerkbar sind, dauert es einige Monate bis zu einem Jahr, bis neue erwünschte Erlebens- und Verhaltensmuster neuronal so verankert sind, dass sie gleichwertig zu älteren neuronalen Netzwerken auch automatisiert unter Stress abrufbar sind.
 

Da in dem Training ausschließlich mit kreativen ressourcenorientierten Techniken gearbeitet wird, ist es von einer heiteren und positiven Grundstimmung getragen. „......Dieser Lern- und Entstehungsprozess hat, ganz anders als erwartet, tatsächlich von vorn bis hinten einfach Spaß gemacht und meinem Leben und Erleben, auf eine spielerisch leichte Art und Weise eine neue, positive Qualität verliehen. Ich kann ihn jedem, der sich einen Perspektivenwechsel, neue Motivation oder ein besseres Selbstmanagement wünscht, von ganzem Herzen empfehlen...“, Marina (Sporttrainerin und Moderatorin)
 

Was bedeutet das für den gesamten Supervisionsprozess? Die Supervision ist nicht mehr fall- oder teambezogen nur Reflexion der eigenen Berufspraxis, sondern bekommt zusätzlich auch Monat für Monat neuen nährenden Dünger und aufbauende Lerninputs für den Aufbau einer neuen Haltung und damit einem erweiternden Erlebens- und Handlungsspielraum.
 

Da das ZRM® konsequent ressourcen- und zukunftsorientiert arbeitet, kann sich dadurch die gesamte Führungs- und Teamkultur in einem Unternehmen verändern.
 

In meiner neuesten EEG- Studie an der Universität Salzburg mit 56 Probanden habe ich die Wirkung von MOTTO-Zielen (Haltungsziele) mit den hohen spezifischen Zielen von Locke und Latham (1990), auch SMART-Ziele (Verhaltens-Ziele auf der kognitiven Ebene) genannt, in ihrer Wirkung verglichen. Ich konnte nachweisen, dass das Selbstwirksamkeitserleben (SWE) zwar durch beide Trainings aktiviert wird, dass aber die Wirkung des MOTTO-Ziels im Gegensatz zum SMART-Ziel ansteigt. Und das über einen Zeitraum von sechs Wochen hinweg.
Ähnliche Effekte konnten bei anderen Faktoren, die für ein gutes Stress- und Selbstmanagement und für die nachhaltige psychische Gesundheit von Bedeutung sind nachgewiesen werden: Für die intrinsische Motivation, die Zielbindung, die Zielerfolgserwartung und die Affektregulationskompetenz.
 

Literatur : Locke, Edwin A., and Gary P. Latham. "Work motivation and satisfaction: Light at the end of the tunnel." Psychological science 1.4 (1990)
Storch, M. & Krause, F. Selbstmanagement-ressourcenorientiert. Huber 5. Auflage 2014

 

Autorin:

Angela Büche ist Lebens- und Sozialberaterin, Supervisorin (ÖVS), Zertifizierte ZRM®-Trainerin, Coach, Mediatorin, Organisationsentwicklerin und Cellistin. Sie arbeitet in ihrer eigenen Praxis in Salzburg und bietet ihre Supervisionen und Workshops mit dem Schwerpunkt Selbstmanagement und Motivation, Kommunikation und Neuroleading in Österreich, im Südtirol, in Deutschland und in der Schweiz an. 

Angela Büche
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